Förderkreis St. Nicolai Zerbst e.V.

Luther in Zerbst

Schon im 15. Jahrhundert hatte Zerbst unter Pestepidemien und Stadtbränden schwer gelitten. Die alten Vorstellungen von Gottgläubigkeit begannen sich zu wandeln, Widerstand gegen die hohen Abgaben an die Kirche regte sich. Schon seit 1490, lange vor Luthers Thesen wider den Ablasshandel, machten die Zünfte der Stadt Zerbst und ihr Rat Front gegen ihre drei Klöster. Auch vom Ablasshandel in Zerbst wird berichtet.

Gegen Geld kaufte man sich von seinen Sünden frei:

Kirchenraub: 9 Dukaten
Totschlag: 7 Dukaten
Hexerei: 6 Dukaten

Da kam 1517 aus der Nachbarstadt Wittenberg die Kunde, der Doktor Luther, den Zerbstern gut bekannt, hätte sich in 95 Thesen öffentlich gegen diesen Ablass und andere Praktiken der Papstkirche gewandt. Jetzt ließen die Leute ihrer Unzufriedenheit freien Lauf.

Luther kehrte 1522 von der Wartburg nach Wittenberg zurück. Schon wenige Wochen später, im Mai 1522, kam er auf Wunsch des Stadtrates nach Zerbst und predigte gegen die alte Römische Kirche, den Papst und die Klöster. Er wandte sich aber auch wiederholt gegen die Zerstörung kirchlicher Einrichtungen und gegen die Anwendung von Gewalt. Doch der Bürgerzorn war nicht mehr zu besänftigen. Schon seit März 1521 kam es immer häufiger zu Übergriffen gegen Geistliche, Mönche und Nonnen der drei Zerbster Klöster.

Die Bilderstürmer – bis heute ein Synonym für eifernde revolutionäre Gewalt – bereiteten dem „Götzendienst“ der Heiligenverehrung in Bildern und Skulpturen ein abruptes Ende. Die Zerbster Kirchen, vor allem auch die Nicolaikirche, wurden 1525 schwer verwüstet, Statuen zerschlagen, Bilder zerstört und verbrannt. (vgl. Historisches, Kapitel 5).

Luther hatte vielfältige Beziehungen zu Zerbst, das nur knapp 50 km von Wittenberg entfernt ist. Diese benachbarte Stadt, damals bedeutend größer als Wittenberg selbst, war für die Verbreitung seiner Lehre besonders wichtig. Er beriet den Rat der Stadt Zerbst bei der Besetzung der Pfarrstelle an St. Nicolai, so 1523 mit Matthäus Meseberg. Von 1523 bis 1882 hat der Rat das Patronatsrecht an der Kirche ausgeübt.

Mit Recht sagte ein halbes Jahrhundert später Wolfgang Amling - Schüler Melanchthons, von 1578 bis 1606 Pfarrer an St. Nicolai, Superintendent in Zerbst und einer der bedeutendsten Theologen in Anhalt - dass „Zerbst die andere Stadt der Reformation gewesen“ sei, also die zweite Stadt nach Wittenberg.

Viel häufiger noch als Luther war sein Mitstreiter Philipp Melanchthon in Zerbst, den eine enge Freundschaft mit dem von Luther ordinierten Superintendenten und Pfarrer an St. Nicolai, Fabricius, verband. Dazu gibt es eine eigene Schrift von 1997 „Philipp Melanchthon und Zerbst“ (erhältlich über den Förderkreis Nicolai).